Foto oben:
Der dritte - und letzte - Checkpoint unmittelbar vor Prypjat.
Hier ist Schluss mit der neuen, asphaltierten Strasse. Ursprünglich führte ab hier die breite, repräsentative, vierspurige “Lenina Avenue” geradeaus direkt ins Stadtzentrum. Davon ist heute nichts mehr zu sehen.
Die ersten Gebäude der Stadt befinden sich unmittelbar hinter dem Grünzeug. In Prypjat lebten die im KKW Beschäftigten mit ihren Familien.
Trotz überdiemsionierten Strassen und Plätzen gab’s in Prypjat nur sehr wenige Autos. Diese waren den Funktionären und anderen wichtigen Personen vorbehalten.
Die arbeitende Bevölkerung ging zu Fuss, per Motorrad oder musste Bus und Bahn benutzten.
Bild: pripyat-city.ru
Das war Prypjat (ПРИПЯТЬ) vor der Katastrophe:
Eine am Reissbrett entworfene Stadt für 50’000 Einwohner, unter Zeitdruck eilig aus fem Boden gestampft. Ende der 60-er Jahre.
Die mehrstöckigen Gebäude waren vorwiegend billige Plattenbauten, wie sie damals in der UdSSR (Union der Sozialistischen Sowjet Republiken) üblich waren.
Oberhalb der Bildmitte am halbrunden Platz das Kulturzentrum Energetik (ЕНЕРГЕТИК) mit dem gelben Partei-
symbol an der Fassade. Dahinter der Vergnügungspark mit dem bekannten Riesenrad.
Rechts vom Kulturzentrum am Platz das Hotel Polissya (ГОТЕЛЬ ПОЛІССЯ) und links am Platz das zweistöckige, damals topmoderne Einkaufszentrum (ТОРГОВЬІЙ ЦЕНТР).
Oben rechts am Bildrand der Fluss Prypjat.
Vom Bildrand rechts (ca. in der Mitte) führte die baumgesäumte Lenina Avenue schräg zum grossen Zentralplatz. Wie erwähnt: In Prypjat gab’s breite Strassen und grosse Plätze - für sehr wenige Autos.
Prypjat heute:
Foto vom Dach des Hotels Polissya mit dem grossen Platz vor dem Kulturzentrum rechts und dem Einkaufszentrum links im Hintergrund
Das Dach ist wegen Einsturzgefahr nicht mehr zugänglich.
Bild: Internet
Evakuation der gesamten Bevölkerung.
Bild: Internet
Mit hunderten von Bussen erfolgte innerhalb weniger Stunden (!) die hastige Evakuation der rund 50’000 Menschen in Prypjat. Zurück blieb eine Geisterstadt.
Prypjat war lediglich 3 km vom KKW entfernt und von der Strahlung stark betroffen.
Foto:
Im Hintergrund das Hotel Polissya.
Liquidatoren “schützen” sich vor der hohen radioaktiven Strahlung mit selbstgebastelten dünnen Metall -/Bleischürzen.
Der Nutzen ist minim.
Bild: Internet
Sogenannte “Liquidatoren”, meist Armeeangehörige und Reservisten wurden für die gefährlichen Aufräumungs- und Reinigungsarbeiten verpflichtet.
Die Strahlung beim explodierten Reaktor und den benachbarten Gebäuden war so hoch, dass die Arbeiter teil-
weise weniger als 2 Minuten (!) arbeiten konnten.
Dann war ihre maximale Strahlendosis schon erreicht.
Man geht davon aus, dass die Behörden gegen 800’000 (!) Liquidatoren einsetzten, um diese gesundheitlich risikoreichen Arbeiten auszuführen.
Bedingt durch die hohen Strahlendosen kämpfen viele Liquidatoren teils bis heute mit gesund-
heitlichen Problemen.
Bild: Twitter/X
Liquidatoren auf dem extrem strahlenversuchten Dach des explodierten Reaktors IV.
In den Folgejahren beschäftigte der KKW-Komplex - mit den drei verbliebenen aktiven Reaktoren - noch gegen 9’000 Mitarbeiter.
Die Angestellten wohnten nach dem Unfall (und bis heute) weit ausserhalb der beiden Sperrzonen, in der in den 1980-er Jahren neu gebauten Stadt Slawutich im Osten..
Infotafel am Checkpoint
Sie gibt u.a. Auskunft über das Ausmass der verstrahlten Landflächen in den betroffenen Regionen.
Leider fehlen Angaben über die Anzahl der evakuierten Bewohner (es waren insgesamt mehrere 100’000).
W.I. Lenin
(ЛЕНИН)
1870 - 1924
Lenin war Politiker, Revolutionär und Verfechter der marxistischen Ideologie.
Gründer der Sowjetunion.
Seine kommunistischen Ideen hat er mit brutaler Gewaltherrschaft durchgesetzt.
Seit dem Fall der ehemaligen UdSSR werden seine Statuen und Denkmäler, die in jedem Dorf teils mehrfach zu finden waren, konsequent wieder entfernt.
Diese Büste des Demagogen hat offenbar ihre Ruhe auf einem Schrottplatz gefunden.
Sie ist die einzige Kirche innerhalb der Sperrzone, die heute noch benutzt wird.
Regelmässig finden Messen statt.
Während der Evakuation der Bevölkerung wurde die Kirche - wie viele andere Gebäude auch - geplündert.
Heute ist der Innenraum mit Bildern der Liquidatoren geschmückt.
Im kleinen Gemischtwarenladen in Tschernobyl.
Hier gibt’s Brot und Glace und auch ein schönes Sortiment an Pins zu kaufen. Es sind noch viele mit dem Portrait Lenins (!) vorrätig. . .
Nebst vielen Dingen des täglichen Bedarfs ist auch gutes deutsches Löwenbräu im Angebot.
Die ersten und an vorderster Front. Sie waren sich der intensiven radioaktiven Strahlung beim brennenden Reaktor nicht bewusst.
Fast alle der rund 30 Feuerwehrleute sind nach kurzer Zeit an der Strahlenkrankheit verstorben. Ihre stark
verstrahlte Kleidung liegt heute noch im Keller des ehemaligen Spitals in Prypjat. Zutritt streng verboten.
Die Ortstafel von Tschernobyl (ЧОРНОБИЛЬ) im Herbst 2021.
Sie zeigt im Zentrum noch immer in roter Farbe Hammer und Sichel der ehemaligen UdSSR, obwohl die Ukraine seit 1991 ein unabhängiger Staat ist.
Der Ort Tschernobyl liegt knapp ausserhalb der
10-km-Sperrzone.
NB:
Leitungen werden über Grund verlegt und nicht vergraben. So wird vermieden, allenfalls verstrahltes Erdreich an die Oberfläche zu bringen.
Das Gasthaus Desiatka (ДЕСЯТКА) in Tschernobyl.
Unterkunft mit einfachstem Standard und minimaler Alt-Möblierung. Gemeinschaftliche Sanitärräume. Aber saubere Zimmer.
Na ja, man verbringt hier im Normalfall auch nur eine Nacht. Länger möchte man in dieser Jugendherberge-artigen Unterkunft auch nicht bleiben.
Rechts:
- Das Stahlgitter zum Eingang des Gästehauses wird abends abge-
schlossen.
Kein Ausgang. Es gäbe aggressive Wölfe in der Gegend, hat man
uns gesagt. . .
- Essen nach traditionellem Sowiet-Stil:
Frühstück (!): Nudeln mit Poulet, ungetoastetes Toastbrot, Marga-
rine und ein sehr kaltes Süssgetränk. . . uff. . .
- Zur Kleidung:
Wir hatten im September 2021 regnerisches Wetter mit wenig mehr
als 10°. Das Fahrzeug ist nur Dekoration.
Der grüne Bändel? Dosimeter, obligatorisch.
Das nicht zu übersehende Ortschild von Prypjat (ПРИПЯТЬ) .
Ein damals beliebtes Fotosujet bei Hochzeiten, Familien-
festen und Jubiläen..
Auf der gut ausgebauten Strasse in der Sperrzone.
Das einst elegante Café Prypjat (КАФЕ ПРИПЯТЬ). Gelegen am Ufer des gleichnamigen Flusses.
Von der vorgelagerten Terrasse aus über-
blickten die Gäste das emsige Tun im Hafen und den Bootsbetrieb auf dem Fluss.
Im Café Prypjat (КАФЕ ПРИПЯТЬ).
Die nach rund 40 Jahren estaunlicherweise noch gut erhaltenen, kunstvoll gestalteten Buntglasfenster mit Sujets im damaligen Sowjet- Stil.
Gestaltet vom sowjetischen Künstler Viktor Blinov.
Auch im Kino Prometheus (ПРОМЕТЕЙ) wurde die Lobby mit einem farbigen Glasfenster aufgehübscht.
Kunst hatte einen hohen Stellenwert in dieser modernen Vorzeigestadt.
“Hot Spot” mit erhöhter Strahlenbelastung. Das Dosimeter zeigt 7.75 µSv/h (Mikrosievert pro Stunde) an.
Hier werden Grundwasserproben zur Labor-
kontrolle entnommen.
Ca. einen Meter neben dem Stahlrohr zeigte das Dosimeter wieder einen für die Region üblichen Wert von 0.04 µSv/h an.
Der grosse Vergnügungspark mit dem bekannten Riesenrad.
Ein Wunder, dass das Ding überhaupt noch steht.
Auch Autoscooter, eine Schiessbude und andere Attraktionen gab’s hier
Es war geplant, den neuen Park am 1. Mai 1986 (Tag der Arbeit) feierlich einzuweihen. Dazu kam es nicht mehr. Der VergnügungsparkPark hat seinen Betrieb nie aufgenommen.
Das damals topmoderne Hotel Polissya (ГОТЕЛЬ ПОЛІССЯ). Vor kurzem ist ein Teil des Dachgeschosses einge-
stürzt. Schade, denn von dort oben gab’s einen perfekten Rundblick über die Stadt.
Rechts:
- Der Zuschauerraum des ehemaligen Kinos/Theaters Prometheus.
Stellvertretend für den baulichen Zustand vieler anderer Gebäude. Die Dächer sind undicht, die Bauten ver-
fallen zusehends. Überall herrscht Einsturzgefahr.
Prypjat war geplant und gebaut als privilegierte Vorzeigestadt in der UdSSR. Sie bot den überdurchschnittlich gut bezahlten Fachkräften des KKW Annehmlichkeitren, die in der übrigen UdSSR kaum zu finden waren.
Grosszügige Parkanlagen, ausgedehnte moderne Sportanlagen mit Stadion und grossern Schwimmhallen, ein vielfältiges Kultur- und Freizeitangebot und - als Novum - ein im westlichen Stil konzipiertes Einkaufszentrum.
Nochmals etwas Kunst aus der Geisterstadt
Ziemlich gut erhaltenes Kunstwerk an der Fassade des ehemaligen Kinos/Theaters Prometheus, (ПРОМЕТЕЙ) vollendet 1975.
Es besteht aus zehntausenden von kleinen, farbigen Mosaiksteinchen des Künstlers Ivan Lytovchenko.
Die Namen des Kunstwerks: Energy!
Öffentliche und auch Wohngebäude wurden mit Kunst “aufgewertet”.
Links:
- Fassade des Kinos Prometheus.
Rechts:
- Kunst an der Fassade des Telekommunikationsgebäudes (Postamt).
Vorher / nachher:
Der Schalterraum des ehemaligen Postamtes mit einer grossen Wandmalerei im Hintergrund.
Dargestellt ist die Enwicklung der Post im Laufe der Zeit.
Prominent: Yuri Gagarin, 1934 - 1968. Er war Astronaut der UdSSR und der erste Mensch im Weltall.
Bild: pripyat.city.ru
Bild: prjpyat.city.ru
Nochmals vorher / nachher:
Das Schwimmbad Lazurny (Azurblau ЛАЗУРНЬІЙ) mit 50 m Becken und Sprungturm. Es war Teil einer Anlage mit weiteren Becken Turnhallen und Trainingsräumen.
Das mit Fernwärme des KKW beheizte Bad wurde nach der Katastrophe noch von den Liquidatoren benutzt.
Heute wachsen die Bäume durch die Fenster.
Plakate von Parteifunktionären/Politikern und der Jugendorganisation Komsomol der KPdSU (Kommunistische Partei der Sowjetunion)
Die Plakate waren für die bevorstehende 1. Mai-Feier vorgesehen.
АГІТПУНКТ = Stelle für politische Aufklärung. . .
Logo der Komsomol (ВЛКСМ) mit dem Portrait Lenins (. . .das auf dem Plakat links zerstört wurde).
Schule/Kindergarten in Kopatschi (КОПАЧі) bei Prypjat.
Die Bevölkerung ging davon aus, die überstürzte Evakuierung sei nur von kurzer Dauer. Sie glaubten, nach kurzer Abwesenheit wieder zurückkommen zu können. Für aufräumen war keine Zeit.
Sie kehrten nie mehr zurück.
Sicher sind einige Dinge in diesem Schlafsaal eines Kindergartens nicht mehr so, wie sie 1986 bei der fluchtartigen Abreise waren. Totzdem. . . ein trauriges Bild,
Die Natur erobert sich die verlassenen Häuser in Prypjat zurück. Eine verlorene Stadt.